Der Rabe von Klausthal

Ein Herr in Klaustahl hatte einen zahmen Raben, der frei umherhüpfte und sich stets von selbst wieder einfand, wenn er sich einmal auf dem Hofe und im Garten aufgehalten hatte. Nun merkte der Herr nach einiger Zeit, daß das Silberzeugs immer weniger wurde, und zuletzt fehlten alle silbernen Löffel. Da hielt er seine Magd für die Diebin und machte beim Gerichte Anzeige und als sie nun hartnäckig leugnete, wurde sie vom Henker „peinlich befragt“, wie man das nannte, und unter unerträglichen Schmerzen, die ihr die Daumenschrauben und die anderen Folterwerkzeuge verursachten, gestand sie endlich alles ein. Sie wurde zum Tode verurteilt und bei der Ziegelhütte, da wo rechts vom Wege der Stein auf der Wiese steht, hingerichtet. Vorher aber nahm sie ihr Eingeständnis wieder zurück und beteuerte unter Thränen ihre Unschuld.

Nach einiger Zeit ließ der Herr das schadhaft gewordene Dachgerenn durch ein neues ersetzten. Da brachte ihm der Klempner die silbernen Löffel und was sonst an Wertsachen gestohlen war, und es fehlte nicht ein Stück. Der Rabe hatte alles in die Renne getragen.

Nun grub man das Mädchen, das unter dem Galgen eingescharrt war, wieder aus und gab ihr ein ehrliches Begräbnis.